Der Verbund reflektiert den "Wert der Vergangenheit" für Gesellschaften in Geschichte und Gegenwart in drei übergreifenden Research Hubs:

  • Evidenzregime
  • Raumzeitliche Ordnungsmuster
  • Vergangenheit als öffentliche Ressource

Innerhalb der Research Hubs gibt es jeweils drei Research Labs, die thematische Schwerpunkte setzen und in denen Forscher*innen zusammen mit externen Kooperationspartnern einzelne Forschungsfragen bearbeiten.

Research Hub I: Evidenzregime

Research Hub I fragt im Anschluss an die im LFV „Historische Authentizität“ durchgeführten Forschungen über Prozesse der Authentisierung und Autorisierung in historisch arbeitenden Disziplinen und in der öffentlichen Geschichtskultur nach den Evidenzregimen, die die Vergegenwärtigung von Vergangenheit rahmen und organisieren. Ausgehend von der Doppelbedeutung des Evidenzbegriffs als Beweis (evidence) und augenscheinlicher Einsicht (certainty) stehen der Zusammenhang von Sinnwelten und Deutungshorizonten und das Wechselverhältnis von sprach-, objekt- und dokumentationsbezogenen Bewertungs- und Beglaubigungspraxen im Vordergrund.

Im Spannungsfeld von Sprache, Performanz und Sinnwelt wird die Herstellung von Evidenz und Wissensordnungen in öffentlichen Diskursen über die Vergangenheit erforscht. In der Zusammenführung von museologischen und wissenschaftshistorischen Fragestellungen werden objektbezogene Plausibilisierungsstrategien anhand von Materialität und Medialität untersucht. Angesichts der Herausforderungen im digitalen Zeitalter, Informationen transparent und zuverlässig zugänglich zu machen, erarbeitet der Hub I unter besonderer Berücksichtigung archivischer, samlungsbezogener und bibliothekarischer Expertise Grundlagen für eine Digitale Heuristik und Historik.

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Research Hub II: Raumzeitliche Ordnungsmuster 

Research Hub II erforscht raumzeitliche Ordnungsmuster, die für vergangenheitsbezogene Wertzuschreibung prägend sind. Wertkonstruktionen beziehen sich oft auf historisch-politische Räume und deren gedachte oder erwünschte Ordnung, etwa wenn von „europäischen“, „abendländischen“ oder „orientalischen“ Werten die Rede ist. Zum anderen liegen der Beschreibung von Kulturen in der Regel bestimmte Zeitlichkeitszuschreibungen zugrunde, wie sie etwa in Attributen wie „fortschrittlich“, „traditionsverhaftet“, „entwickelt“ oder „im Aufbruch“ aufscheinen.

Ziel des Hubs ist es, die Erforschung der Interdependenzen von Raum- und Zeitvorstellungen zu stärken, indem danach gefragt wird, wie historisch-politisch-kulturelle Räume und ihre Temporalstrukturen Voraussetzung wie Ergebnis von Wertzuschreibungen sind. Zu diesem Zweck werden dynamische Räume untersucht, die als raumzeitliche Konstrukte wie Kontinente, Staaten, Städte, Zentren und Peripherien auftreten und deren Wahrnehmung und Beschreibung in historischer Perspektive fluide ist und insofern vormals gültige Orientierungswerte in Frage stellen und durch neue ersetzen kann. Unter dem Begriff geschichtskultureller Eigenzeiten erforscht der Verbund, wie sehr die Erinnerungskultur eigene Raum- und Zeitvorstellungen ausprägt. Dazu untersucht das Hub die Relation der drei Zeitebenen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in verschiedenen Epochen und Institutionen und ihre Auswirkung auf die Konstruktion und Interpretation von Geschichte. Schließlich widmet sich das Hub der Entgrenzung des raum-zeitlichen Denkens in den Debatten um das Anthropozän. Auch im ökologischen Diskurs ist die Vergangenheit kein nostalgischer Erinnerungsort, sondern vielmehr ein Speicher von geologischem, biologischem und ökologischem Wissen, der für die Aufrechterhaltung stabiler Ökosysteme in der Zukunft große Bedeutung haben wird.

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Research Hub III: Vergangenheit als öffentliche Ressource

Research Hub III befasst sich mit der Vergangenheit als öffentlicher Ressource. Im Gegensatz zur Verknappung natürlicher Ressourcen erscheint die Vergangenheit auf den ersten Blick als ein unerschöpfliches Reservoir. Doch auch sie wird in Besitz genommen, selektiv gehoben und „ausgebeutet“. Als öffentliche Ressource ist sie stets umkämpft und Ausgangspunkt für Verteilungs- und Anerkennungskämpfe, dient sie doch als Rohstoff der Identitätsbildung, ebenso wie sie eine tausch- und geldwerte Einnahmequelle im Bereich ihrer öffentlichen Aufwertung und Dienstbarmachung bildet.

In drei Zugriffen untersucht das Hub, wie gesellschaftliche Akteure Geschichte öffentlich machen, sie neu bewerten, verwerfen oder umdeuten. Im Lab Streitwert der Vergangenheit liegt der Fokus auf den daraus resultierenden Konflikten, etwa zwischen gesellschaftlichen Mehrheiten und Minderheiten bzw. zwischen unterschiedlichen religiösen Gruppen und ihrem Verhältnis zu säkularen Akteuren. Das Lab Praktiken der Aneignung widmet sich vor dem Hintergrund des medialen Wandels insbesondere medienvermittelten Aneignungsmodi und fragt, wie historische Themen und Ereignisse immer wieder neu als relevant bewertet bzw. nachgefragt werden. Das Lab Inwertsetzung und Kommodifizierung befasst sich u.a. mitdem Einfluss ökonomischer Faktoren auf die Produktion und Vermittlung von historischem Wissen.

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